Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne? Aber ja! Zauberhaft war es wirklich über weite Strecken, was die deutsche Fußball-Nationalmannschaft am Samstagabend in Düsseldorf beim ersten Spiel nach dem Viertelfinal-Aus bei der Europameisterschaft zeigte.
Im Ergebnis wurde es beim Startschuss auf dem langen Weg zur Weltmeisterschaft 2026 letztlich gar ein 5:0-Sieg über Ungarn in der Nations League. Niclas Füllkrug (27. Minute) traf vor der Pause, Jamal Musiala (58.), Florian Wirtz (66.), Aleksandar Pavlovic (77.) und Kai Havertz (81.) danach für die Elf von Julian Nagelsmann, die weitere gute Chancen vergab. „Da müssen wir aber ein bisschen mehr Killerinstinkt entwickeln“, sagte der Bundestrainer, lobt aber vor allem: „Die Chemie in der Gruppe ist außergewöhnlichundder Nährboden für das, was wir erträumen zu erreichen.“
Nagelsmann hatte betont, ein Ziel sei, die neu entfachte Begeisterung, die trotz des verpassten EM-Titels entstanden war, zu erhalten, allen voran durch gute Leistungen, aber auch Ergebnisse. Das ist, zumindest für den Anfang, auf überaus ansehnliche Weise, vor allem in der zweiten Hälfte, gelungen, gegen einen allerdings vor allem defensiv deutlich schwächeren Gegner als noch beim deutschen 2:0-Erfolg in der EM-Vorrunde.
Als wollte Nagelsmann seiner Behauptung, trotz der Rücktritte von Manuel Neuer, Toni Kroos, Thomas Müller und İlkay Gündoğan habe sich in der deutschen Mannschaft nach der EM gar nicht so viel geändert, untermauern, schickte er die erwartete Startelf in Spiel. Marc-André ter Stegen stand als neue Nummer eins, die nun auch auf seinem Trikot steht, im Tor, Nico Schlotterbeck spielte statt des pausierenden Abwehrchefs Antonio Rüdiger, Pascal Groß ersetzte Kroos im defensiven Mittelfeld als Gestalter, und Havertz rückte ein wenig zurück hinter Mittelstürmer Füllkrug.
Neue deutsche Spielanlage wird deutlich
Dass Groß kein Kroos ist, hatte Nagelsmann betont, und das bekamen die Fans in der ausverkauften Arena schnell zu sehen. Anders als der endgültig zurückgetretene Teilzeit-Rückkehrer Kroos in der Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) ließ Groß sich im Aufbauspiel nicht nach links hinten fallen, sondern reihte sich am liebsten in die Mitte der Abwehrkette ein.
Es mangelte allerdings, nicht nur beim Aufbau, zunächst an Präzision, wie bei einem Freistoß, dessen einstudierte Variante missriet, weil der neue Kapitän Joshua Kimmich den Ball in den Rücken von Jamal Musiala spielte. Eine Chance ergab sich wenig später aus einem Zufall, weil ein Ungar einen langen Ball unterschätzte und die Deutschen auf einmal nur einen ungarischen Abwehrmann vor sich hatten – und den Torwart. Wirtz passte zu Musiala, der zu Füllkrug, doch der Angreifer scheiterte am Fuß des Leipziger Schlussmanns Peter Gulasci (20.).
Die Qualität der deutschen Chancen erhöhte sich, der Ertrag auch. Das 1:0 entsprang einer Flanke von Wirtz, die der aufgerückte Linksverteidiger Raum an der Kante des Fünfmeterraums zu Musiala ablegte, der nochmal quer spielte zu Füllkrug, der nur noch einschieben musste. Das sah leicht und locker aus – und hatte wirklich etwas von Fußballzauber.
Fast hätte Havertz nach Flanke von Groß erhöht, sein Kopfball prallte indes an die Unterkante der Latte und von dort knapp vor die Torlinie (33.). Die DFB-Elf war nun richtig gut im Spiel. Doch Havertz nutzte auch seine nächste große Gelegenheit nicht. Als er von Musiala auf die Reise geschickt wurde, ließ er zwar noch einen Abwehrspieler ins Leere laufen, schoss den Ball mit links aber auch am linken Pfosten vorbei (45.+1). Das erinnerte dann nochmal an die EM, als Havertz zwar zwei Treffer erzielte, aber auch einige Chancen vergab.
Die zweite Halbzeit begann mit weiteren Zaubertricks – und der großen Möglichkeit zum Ausgleich. Nach Musialas Ballverlust und einem schnellen Konter war der eingewechselte Bendegúz Bolla vor ter Stegen, doch auf dem Nichts funkte Andrich mit einer Grätsche noch dazwischen. Dafür fiel auf der anderen Seite das 2:0. Wirtz schickte Musiala, verfolgt von zwei Ungarn. Als die den Münchner fast gestellt hatten, schlug er einen Haken und schoss an Gulasci vorbei ins Tor (58.).
Wenig später sortierte Nagelsmann seine Elf neu. Für den starken Spielgestalter Groß kam Aleksandar Pavlovic, der die EM erkrankt verpasst hatte, für Füllkrug Maximilian Beier. Der war keine Mittelstürmer, die Offensive wurde noch variabler. Das 3:0 entsprang aber einer Kombination der bewährten Zauberer: Musiala passte auf Wirtz, dessen Flachschuss mit rechts in die kurze Ecke traf (66.).
Musiala war es auch, der seinen Münchner Klubkollegen Pavlovic bediente, eher der in seinem zweiten Länderspiel zum 4:0 traf (77.). Danach glänzte auch ter Stegen, als er gegen den frei stehenden Kevin Csoboth parierte (78.). Und Havertz hatte zum Schluss das Glück auf seiner Seite. Sein Volleyschuss prallte zwar erst wieder an die Unterkante der Latte und von dort vor die Linie (72.), ehe er einen an ihm verursachten Foulelfmeter sicher verwandelte (81.).
Es war der Schlusspunkt eines Abends, der für Begeisterung sorgte. Wie stabil diese neue deutsche Elf ist, muss sie allerdings schon am Dienstag (20.45 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Nations League und bei RTL) beweisen, wenn es in Amsterdam gegen die Niederländer, die parallel zum deutschen Spiel in Eindhoven ebenfalls deutlich, mit 5:2, gegen Bosnien-Hercegovina gewannen, geht.